prekäre Beschäftigung

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01.10.2012 Die IG Metall hat die Zunahme prekärer Beschäftigung als arbeitsmarktpolitischen Irrweg bezeichnet und eine neue Ordnung auf dem Arbeitsmarkt gefordert.

IG Metall kritisiert zunehmende prekäre Beschäftigung als arbeitsmarktpolitischen Irrweg
Detlef Wetzel fordert Verbandsklagerecht der Gewerkschaften

Berlin - Die IG Metall hat die Zunahme prekärer Beschäftigung als arbeitsmarktpolitischen Irrweg bezeichnet und eine neue Ordnung auf dem Arbeitsmarkt gefordert. "Leiharbeit ist tief in alle betrieblichen Abläufe vorgedrungen, die Fremdvergabe durch Werkverträge steigt und die Beschäftigungsform der Befristung wird massiv eingesetzt. Zudem wird die Unordnung auf dem Arbeitsmarkt, die sich in einer rasanten Ausweitung des Niedriglohnsektors ausdrückt, schneller als jede demografische Entwicklung dazu führen, dass unser Rentensystem kollabiert", sagte Detlef Wetzel, Zweiter Vorsitzender der IG Metall, am Freitag in Berlin. Die Deregulierung des Arbeitsmarktes habe nicht zum German-Job-Wunder beigetragen, im Gegenteil. Angesichts des anstehenden Fachkräftemangels seien ein neues Leitbild von guter Arbeit und eine Qualifizierungsoffensive unabdingbar. Mit "Billiger-Strategien" werde Deutschland im Innovationswettbewerb keine Chance haben. Ein Maßnahmenbündel wie die Stärkung des Tarifsystems, die Neugestaltung von Leiharbeit, Minijobs und Mindestlöhnen, ebenso ein Verbandsklagerecht und die Stärkung individueller Beschwerderechte sei nötig, sagte Wetzel.

Dies bestätigten auch die Ergebnisse der Expertise "Prekäre Beschäftigung und Neuordnung auf dem Arbeitsmarkt" von Prof. Dr. Gerhard Bosch, Institut für Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen. Danach sind Niedriglöhne und atypische Beschäftigung kein Sprungbrett in reguläre Arbeit. Die Chancen, aus dem Niedriglohnsektor auf besser bezahlte Tätigkeiten zu gelangen, sind in den letzten 15 Jahren zurückgegangen. Nur dort, wo Tarifverträge und Mitbestimmung greifen, gibt es positive Entwicklungen. Ein weiteres Ergebnis der Expertise zeigt die hohen sozialen Kosten für die Steuer- und Beitragszahler. Erwerbseinkommen müssen zunehmend durch Arbeitslosengeld II (Hartz IV) aufgestockt werden, was den Steuerzahler 2010 11,5 Milliarden Euro kostete und gravierende Auswirkungen auf die Alterssicherung hat. Zudem wird in der Expertise darauf verwiesen, dass die Deregulierung des Arbeitsmarktes durch die Agenda 2010 der Zunahme von schlecht bezahlter Arbeit einen zusätzlichen Schub gegeben habe. Prof. Bosch schlussfolgert: "Auch für unsere Demokratie ist die vorgeschlagene Neuordnung wichtig. Eine eigenständige Existenzsicherung und die Mitfinanzierung des Gemeinwesens über Beiträge und Steuern ist nicht nur eine wichtige Voraussetzung für gesellschaftliche Anerkennung, sondern auch für die selbstbewusste Wahrnehmung gesellschaftlicher Beteiligungsmöglichkeiten im Betrieb, Politik und in der Gesellschaft."

Nach einer aktuellen Umfrage der IG Metall unter Betriebsratsvorsitzenden werden unternehmerische Risiken individuell auf die Beschäftigten abgewälzt oder per Werkvertrag gleich komplett outgesourct. Es gibt in vielen Betrieben keine leiharbeitsfreie Zone mehr. Selbst im Bereich von Forschung und Entwicklung setzen 16 Prozent der Betriebe auf Leiharbeit. Elf Prozent der Leihbeschäftigten arbeitet länger als zwei Jahre im gleichen Betrieb. Als weitere atypische Beschäftigungsform werden befristete Arbeitsverhältnisse genutzt, knapp die Hälfte der Befristungen läuft länger als zwölf Monate, zeigt die Betriebsrätebefragung. 28 Prozent der Betriebsräte geben zudem an, dass die Fremdvergabe von anfallenden Tätigkeiten in den vergangenen drei Jahren gestiegen ist.

In den kommenden Monaten werde die IG Metall die Ordnung auf dem Arbeitsmarkt zum politischen Thema machen. "Wir werden die Parteien im anstehenden Bundestagswahlkampf daran messen, was sie hier vorhaben", sagte Wetzel. Mit öffentlichen Aktionen werde die IG Metall vorrangig am 5. Oktober vor Ort anlässlich des Welttages für menschenwürdige Arbeit (7. Oktober) auf die Missstände auf dem Arbeitsmarkt aufmerksam machen.

Letzte Änderung: 28.09.2012