Beschäftigungs- und Qualifizierungs-Gesellschaft (BQG-aktiv)

15.10.1999 "BQG-aktiv" wird in der Region gebraucht

Von Bruchsal über Kronau bis nach Maulbronn wird mittlerweile aus bereits mehreren Unternehmen die "Beschäftigungs - und Qualifizierungsgesellschaft Aktiv GmbH", kurz: "BQG-aktiv", gebraucht.

Für 48 ehemals bei der Fa. Siemens in Bruchsal Beschäftigte gilt dies ebenso wie für 11 einst bei der Fa. Michael in Kronau (Konkurs-Verfahren) und für ca. 10 noch bei der Fa. BIAX in Maulbronn Beschäftigte.

Für sie alle ist es quasi der Notnagel vor der sofortigen Entlassung. Es geht um die Entwicklungs-Chancen von Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlieren. Grundlage für vom Arbeitsamt bereit gestellte Fördergelder (es wird StrukturKUG genannt) sind angekündigte und vom Unternehmen gegenüber dem Arbeitsamt strukturell bedingte und begründete Massenentlassungen. Das ist in den genannten Fällen geschehen. Die Gesamtkonstruktion ermöglicht dann, daß Betroffene in etwa behandelt werden ähnlich Kurzarbeit (Aufzahlung auf 80 % des Netto-Einkommens).

Weil seit Anfang Mai schon neue regionale Erfahrungen vorliegen, geht es im Folgenden vorallem um Siemens Bruchsal.

48 ausländische und deutsche Frauen wären von der Fa. Siemens in Bruchsal letztendlich entlassen worden, wenn sie nicht zur "BQG-aktiv" zu wechseln bereit gewesen wären. Bereits in den Monaten vorher hatten viele Siemens-Vorgesetzte massenhaft Abfindungsgespräche mit fast 200 Betroffenen geführt. "Mit zum Teil lukrativen Geldangeboten ("Turbo-Prämien") gingen einige Kolleginnen und Kollegen, meist noch vor Weihnachten, unter oft fadenscheinigen Begründungen, zwar mit Geld aber dafür sofort in die Arbeitslosigkeit. Das Arbeitsamt verhängte eine erhebliche Sperre, wegen Nichteinhaltung der gesetzlichen und tariflichen Kündigungsfristen," berichtet der stellvertretende BR-Vorsitzende von Siemens Bruchsal, Hans-Helmut Dutzi - hans.dutzi@icn.siemens.de

Mit Hilfe einer Betriebsvereinbarung "Interessensausgleich- und Sozialplan" (zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung) wurde u.a. der Übergang zur und der Ablauf mit der "BQG-aktiv" geregelt. Danach stehen den 48 Betroffenen, die in die "BQG-aktiv" wechselten, selbstverständlich auch Gelder aus dem Sozialplan zu. "Statt gleich arbeitslos zu werden und wesentlich weniger Geld zu haben, ist es immer noch besser in die BQG zu gehen (bei 80 % netto) und sich weiter qualifizieren lassen, mit dem Ziel vielleicht eher wieder eine möglichst qualifizierte Arbeit im ersten Arbeitsmarkt zu finden." So sieht es eine der bis Ende April noch bei Siemens Bruchsal Beschäftigten, die in die "BQG aktiv" gewechselt ist.

Die "BQG aktiv" wurde, in Berücksichtigung von Erfahrungen mit bisher überegional bzw. bundesweit tätigen, ähnlichen Institutionen, bewußt regional verankert.

Die "BQG-aktiv" kümmert sich zusammen, z.B. derzeit mit dem AAW (arbeitsamtsnahe Institution für Aus- und Weiterbildung) durch geeignete Qualifizierungs-
Maßnahmen (z.B. Deutsch- bzw. EDV-Kurs) um bessere Vermittlungs-Chancen zurück in den ersten Arbeitsmarkt.

Dabei darf der Karlsruher Rechtsanwalt Hans Löffler - lsk-partner@t-online.de -, Mitgesellschafter u. Geschäftsführer der "BQG aktiv" mit aktiver Unterstützung von regionalen Arbeitsämtern und IG Metall - Verwaltungsstellen: Bruchsal, Karlsruhe, Gaggenau und Pforzheim rechnen. Die Stärke dieser BQG liegt in ihren besseren Möglichkeiten für gezielte Arbeitsplatz-Vermittlung in Betriebe der Region.

"Unterm Strich, das wissen alle Betroffenen, ist ihre Situation weitaus günstiger als unmittelbar in Arbeitslosigkeit zu fallen. Immer wieder beklagen sie sich aber bei Betriebsrat und IG Metall, warum sie überhaupt bei Siemens rausgedrückt wurden." Das berichtet Ernst Färber, BR-Vorsitzender Siemens Bruchsal - ernst.faerber@icn.siemens.de aus Gesprächen mit Betroffenen.

Nur allmählich wird klarer: Auch der Betriebsrat musste sich der strukturellen Veränderung des Qualifikationsprofils durch schnellen technologischen Wandel, stellen und erkennen, daß objektiv nicht mehr so viele Arbeitsplätze für angelernte Arbeitskräfte da sind. Trotzdem, jetzt bleibt allen Beteiligten ein harter Brocken Arbeit übrig.

Die entscheidende Frage bleibt: Wie können z.B. die 48 zumeist älteren, darunter viele ausländische Frauen, so qualifiziert werden, daß sie wieder unter erträglichen Bedingungen in Arbeit kommen ?

Das sind Fragen," so Färber, "mit denen sich alle möglichen Institutionen, nicht nur Betriebsrat und IG Metall oder das Arbeitsamt, sondern auch Vertreter der Industrie, Einzelunternehmen wie Siemens und alle anderen, aber auch solche Institutionen wie die IHK oder die Bruchsaler Wirtschaftsförderung (angebunden an OB Doll). stellen müssen.

Dazu muß von allen Verantwortlichen Unterstützung verlangt und organisiert werden. Was sollen sonntags Gespräche über ein "Bündnis für Arbeit", wenn montags bis freitags Betroffene stempeln gehen müssen, weil notwendige regionale Initiativen zur Schaffung und Besetzung von Arbeitsplätzen unterbleiben ?

Die BQG-aktiv darf keinesfalls zum puren Abschiebebahnhof von übrig gewordenem Personal verkommen. Ziel muß bleiben: Qualifizierung und gezielte Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt. Das bleibt Aufgabe für alle Beteiligten."

Letzte Änderung: 21.11.2007