Nokia Siemens Networks
Erst vor zwei Wochen hat NSN ein hartes Sparprogramm verabschiedet. Nun verordnet die Konzernzentrale in Finnland dessen kräftige Verschärfung. Personal und IG Metall kündigen Widerstand an.
Das Tal der Tränen ist für die leidgeprüfte Belegschaft des deutsch-finnischen Netzwerkausrüsters Nokia Siemens Networks (NSN) noch nicht durchschritten. Nachdem das vom finnischen Handyriesen Nokia geführte
Gemeinschaftsunternehmen erst vor zwei Wochen mit der deutschen Belegschaft nach hartem Ringen einen Abbau von knapp 2300 der 13 000 deutschen Arbeitsplätze vereinbart hatte, verschärfen die Finnen nun zur allgemeinen
Verwunderung die Sparpläne.
Denn Nokia-Chef Olli-Pekka Kallasvuo und Finanzvorstand Rick Simonson verkündeten bei der Vorlage eines Nokia-Zwischenberichts für NSN eine Aufstockung der Sparpläne um eine halbe auf nun zwei Milliarden Euro. Die bisher
vereinbarte Kostensenkung um 1,5 Milliarden Euro müsse zudem nicht wie bisher vorgesehen 2010, sondern schon zwei Jahre früher erreicht werden. "Wir sind alle überrascht und haben keinerlei Informationen vom Management
bekommen", wunderte sich NSN-Gesamtbetriebsratschef Georg Nassauer. Auch Bayerns IG Metall-Chef Werner Neugebauer, dessen Gewerkschaft vor wenigen Tagen die nun nicht mehr ausreichenden Abbaupläne mitgetragen hatte, reagierte
verstimmt. "Die Zusagen von NSN haben offenbar die Haltbarkeit einer ungebrühten Weißwurst."
Verschärften Stellenabbau wollen weder Betriebsrat noch IG Metall akzeptieren. Beide tappen aber noch weitgehend im Dunkeln, was die Details betrifft. Es gebe eine Idee, wo die zusätzliche halbe Milliarde Euro eingespart werden
könne, sagte Simonson vage. NSN suche nach Möglichkeiten, Personal zu Geschäftspartnern zu versetzen. Die Belegschaft versteht das als eine drohende Ausgliederung ganzer Geschäftseinheiten, was erneut viele
Mitarbeiter betreffen könnte.
Bei der gemeinsamen Vereinbarung zur Kostensenkung vor zwei Wochen habe das Management allerdings zugesichert, dass es keine Ausgliederungspläne gibt, sagte Nassauer und ist verwirrt. "Die Beschäftigten brauchen eine
Perspektive und einen Motivationsschub, keine neue Verunsicherung", warnt er mit Blick auf den katastrophalen Geschäftsstart von NSN.
Zwischen April und Juni hat der Konzern im ersten Quartal seines Bestehens 3,44 Milliarden Euro umgesetzt und damit ein Zehntel weniger, als die beiden Konzerne Nokia und Siemens zuvor mit dem Verkauf von Telekommunikationsnetzen einzeln
erlöst hatten. Das Defizit betrug mit 1,26 Milliarden Euro mehr als ein Drittel des Umsatzes, was zum größten Teil auf Kosten für Stellenabbau von über 900 Millionen Euro zurückgeht. Aber auch operativ
schrieb NSN im ersten Geschäftsquartal 361 Millionen Euro Verlust. "Die Entwicklung fordert eine entschiedenes Eingreifen", sagte Kallasvuo. Der Start von NSN stand von Anfang an unter einem schlechten Stern, weil er von der
Siemens-Korruptionsaffäre um schwarze Kassen belastet wurde. Die von Siemens kommenden NSN-Komponenten waren Teil des ehemaligen Geschäftsbereichs Communications, gegen den wegen Schmiergeldern ermittelt wird.
Erst vor ein paar Monaten haben die Mitarbeiter von Nokia Siemens Networks in München gegen den geplanten Stellenabbau protestiert.
Von Thomas Magenheim-Hörmann
Stuttgarter Zeitung vom 04.08.2007, Seite 17
Letzte Änderung: 21.11.2007