Konzentrationslagers Kislau
Nach der Auflösung des Schutzhaftlagers Ankenbuck auf der Baar im März 1934 war Kislau das einzige KZ in Baden - und schon bald auch das einzige in ganz Südwestdeutschland: Während die beiden württembergischen Konzentrationslager auf dem Heuberg und auf dem Oberen Kuhberg bei Ulm so wie die meisten anderen frühen KZs schon 1934/35 wieder aufgelöst wurden, bestand das KZ Kislau bis zum Frühjahr 1939 - also ganze sechs Jahre lang. In diesem Zeitraum waren dort mehrere Hundert NS-Gegner inhaftiert. Stellvertretend für all die vielen anderen seien einige bekanntere Namen genannt:
der ehemalige badische Staatspräsident und Landesinnenminister Adam Remmele
der ehemalige Landesjustizminister und Staatsrat Ludwig Marum
der spätere hessische Ministerpräsident Christian Stock
der ehemalige Landtagsabgeordnete Georg Lechleiter
das ehemalige Reichstagsabgeordnete Paul Schreck
der KPD-Widerstandsorganisator Robert Klausmann
Im Rahmen einer an Niedertracht kaum zu überbietenden "Schaufahrt" wurden am 16. Mai 1933 sieben prominente Sozialdemokraten - darunter Remmele und Marum - unter dem Gejohle und den Buhrufen zahlreicher Gaffer auf einem offenen Wagen durch Karlsruhe gefahren und von dort nach Kislau verschleppt. Marum sollte seine Freiheit nicht wiedererlangen: Im März 1934 wurde er in der Haft von SA- und SS-Schergen erdrosselt.
Der Mord an Marum blieb zunächst offenbar ein Einzelfall. Ohne Rechtsgrundlage verhängt, zielte die "Schutzhaft" in den ersten Jahren der NS-Diktatur vor allem auf die Demütigung und Neutralisierung der politischen Gegner. Wenn allerdings das illegale KPD-Organ "Süddeutsche Volksstimme" im Mai 1938 von einem in Kislau zu Tode gefolterten KZ-Häftling berichtete, so ist dies ein Indiz dafür, dass sich auch dort der Terror verstärkt hatte.
Wie viele Menschen insgesamt im KZ Kislau zu Tode kamen, lässt sich aktuell allenfalls mutmaßen: Die Geschichte dieses Lagers und die Schicksale der dort inhaftierten NS-Gegner sind bislang nur ansatzweise erforscht - ebenso wie die Schicksale der in einem anderen Trakt des Schlosskomplexes inhaftierten sogenannten "Asozialen", von denen einige sterlisiert, kastriert und ermordet wurden. Auch über die Anzahl, die Namen und die Schicksale der Résistance-Kämpfer, die während des Zweiten Weltkriegs in Kislau eingesperrt waren, ist erst sehr wenig bekannt.
Was die KZ-Häftlinge betrifft, so war Kislau für viele von ihnen eine Durchgangsstation in andere KZs, in denen dezidiert "Vernichtung durch Arbeit" betrieben wurde. Als extremes Beispiel sei der Fall des Mannheimer KPD-Funktionärs Stefan Heymann genannt, der nach dreijähriger Zuchthaushaft 1936 nach Kislau, von dort aus in die KZs Dachau und Buchenwald und schließlich ins Vernichtungslager Auschwitz "verschubt" wurde - und überlebte.
In der baden-württembergischen Geschichtsarbeit spielt das KZ Kislau bislang kaum eine Rolle, im kollektiven Bewusstsein des Landes ist es nicht verankert. Auch am Ort des Geschehens selbst, der heute als Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Bruchsal dient, finden sich kaum Hinweise auf dessen frühere Nutzung.
Der in Karlsruhe ansässige Verein "LernOrt Zivilcourage e. V. - Historisches Lernen für ziviles Widerstehen" hat es sich zur Aufgabe gemacht, den frühen Widerstand gegen den Aufstieg des NS und gegen die Etablierung seiner Terrorherrschaft in den Blick der regionalen Forschung und Vermittlung zu rücken. Anders als spätere Widerstandsformen nämlich kann der frühe Abwehrkampf uns eines lehren: dass es möglich ist, die Gefahr eines Abdriftens in Unfreiheit, Diktatur und Krieg frühzeitig zu erkennen und aktiv dagegen anzugehen.
Im Rahmen der Bemühungen des Vereins spielt Kislau eine zentrale Rolle: Der LernOrt Zivilcourage e. V. möchte dort einen zentralen LernOrt für Baden schaffen, an dem das politische Erbe der frühen NS-Gegner aus der Region direkt für die historisch-politische Bildungsarbeit und die Präventionsarbeit gegen rechts fruchtbar gemacht wird. Angesichts seiner Geschichte und seiner zentralen Lage ist Kislau der richtige Platz für diesen LernOrt.
LernOrt Zivilcourage e.V. - Historisches Lernen für ziviles Widerstehen
Letzte Änderung: 16.04.2013