Steuerpläne von CDU/CSU/FDP

09.08.2005 Schichtarbeiter zahlen die Zeche!

Die Steuerpläne der Parteien zur Bundestagswahl nehmen Gestalt an. Dabei halten CDU/CSU und FDP an ihren bekannten steuerpolitischen Forderungen fest. Oben auf der Agenda stehen die "Vereinfachung" des Steuersystems und der Abbau von "Steuersubventionen". Schaut man näher hin, droht ein tiefer Griff in die Geldbörse der Beschäftigten. Wenn die Union die Mehrwertsteuer erhöht, werden alle draufzahlen, die keine oder nur geringe Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Für Schichtarbeiter bringt die Abschaffung der Steuerbefreiung von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit herbe Belastungen von bis zu 350 Euro im Monat. Doch damit ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Wenn die Pendlerpauschale abgeschafft oder gekürzt wird, ist dies mit weiteren finanziellen Belastungen verbunden.

Steuerfreie Zulagen: keine Subvention,
sondern Ausgleich für besondere Härten!

Der Denkfehler bei der Opposition besteht darin, die Steuerbefreiung von Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als Subvention zu betrachten. Dabei stellen derartige Arbeitsbedingungen besondere Härten dar. Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sind gesundheitlich zermürbend und erschweren Familienleben sowie soziale Kontakte. Andererseits ist es gesellschaftlich gewollt oder produktionstechnisch notwendig, dass solche Arbeiten durchgeführt werden. Dafür ist die Steuerbefreiung ein gerechter Ausgleich.

Die CDU/CSU möchte die Steuerbefreiung über eine fünfjährige Übergangsfrist abschaffen, die FDP sofort. Die finanziellen Belastungen für die Betroffenen wären enorm. Die IG Metall-Wirtschaftsabteilung hat beispielhaft einige reale Fälle anhand des aktuellen Steuerrechts durchgerechnet:

Ein Stahlarbeiter mit einem Bruttolohn von 2.675 Euro im Monat - davon 16 Prozent steuerfrei - verliert allein bei der Steuer 135 Euro (ledig) bzw. 99 Euro (verheiratet, zwei Kinder). Einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag addiert sich der Betrag sogar auf 154 bzw. ebenfalls 99 Euro. Berücksichtigt man noch die höheren Sozialversicherungsbeiträge, fehlen dem Kollegen am Ende 248 bzw. 193 Euro in der Haushaltskasse!
Gerade bei Stahlarbeitern mit einem relativ geringen Bruttolohn würde die Streichung der Steuerfreiheit eine empfindliche Verschlechterung des Lebensstandards bedeuten.

Auch ostdeutsche Schichtarbeiter trifft es hart. Bei einem Bruttolohn von lediglich 2.484 Euro mit einem steuerfreien Anteil von sieben Prozent müssen sie auf 108 (ledig) bzw. 85 Euro (verheiratet, 2 Kinder) verzichten.

Selbst bei einem geringen steuerfreien Anteil von drei Prozent kommen bei einem Facharbeitereinkommen in der Autoindustrie von 3.420 Euro noch spürbare 50 bzw. 41 Euro Minus heraus.

Der größte Verlust droht einem recht gut verdienenden Facharbeiter in der Autoindustrie mit einem Bruttolohn von 3.611 Euro und einem steuerfreien Anteil von 16 Prozent: 353 bzw. 291 Euro.

Steuersatzsenkungen könnten sich als Luftschloss erweisen!

Dabei wollen sich die Oppositionsparteien eigentlich als Steuersenkungsparteien profilieren. Weniger Geld an den Staat ist ihr Versprechen. Dazu sollen die Steuersätze sinken. Die CDU/CSU sieht in ihrem Konzept einen Grenzsteuersatz von 12 bis 39 Prozent vor (aktuell gelten 15 bis 42 Prozent).

Zwar würde ein solches Konzept auch Arbeitnehmerhaushalte entlasten, doch es zielt trotzdem in die falsche Richtung:

Durch die erneute Senkung des Spitzensteuersatzes (früher einmal 56 Prozent) werden wieder einmal überwiegend die hohen Einkommen entlastet.

Die staatlichen Finanzen werden weiter ausgehöhlt, weil es keine solide Gegenfinanzierung gibt.

Schichtarbeiter zahlen unter dem Strich trotzdem mehr, weil die Belastungen die Entlastungen übersteigen.

Zudem ist es völlig offen, ob dieser Teil der Steueragenda der Union im Falle eines Wahlsieges tatsächlich umgesetzt würde. Schon im Vorfeld der Programmdebatte erklärten viele CDU/CSU Politiker, dass weitere Steuersenkungen nicht zu finanzieren seien. Dann blieben nur noch die Belastungen für Arbeitnehmerhaushalte übrig.

Kürzungen bei der Entfernungspauschale
treffen alle Pendler!

Es bleibt - geht es nach den Vorstellungen von CDU/CSU/FDP - nicht nur bei zusätzlichen Belastungen für Schichtarbeiter. Auch bei der Entfernungspauschale soll der Rotstift angesetzt werden. Die FDP möchte sie ersatzlos streichen, CDU/CSU von derzeit 30 Cent je Kilometer auf 25 Cent je Entfernungskilometer senken.

Eine Arbeitskraft mit einem Bruttolohn von 3.000 Euro (ledig) und einem Arbeitsweg von 30 Kilometern würde nach den Vorstellungen der FDP 60 Euro im Monat verlieren, nach den Plänen der Union immerhin noch zehn Euro. Die Belastungen für Paare mit Kindern beziffern sich auf 44 bzw. 7 Euro im Monat.

Die Mehrwertsteuer als Retter in der Finanznot? Die Allzweckwaffe auf Kosten von ArbeitnehmerhaushaltenSeit Jahren geht der Trend zu niedrigeren Steuersätzen: der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer wurde von 56 Prozent auf 42 Prozent gesenkt, bei der Körperschaftsteuer gar von 45 Prozent auf 25 Prozent. Beim "Jobgipfel" wurden sogar 19 Prozent verabredet! Für die Mehrwertsteuer gilt dies nicht: der (volle) Satz stieg von 10 Prozent 1968 auf 16 Prozent 1998. Die CDU wirbt inzwischen offen für eine weitere Erhöhung der Mehrwertsteuer, die FDP dementiert nur noch halbherzig. Eine Mehrwertsteuererhöhung würde die Kaufkraft weiter belasten. Je nach Haushaltstyp (Durchschnittshaushalte) würden bei einer Erhöhung um zwei Prozentpunkte die Belastungen zwischen acht und 40 Euro liegen. Paare mit Kindern hätten mit einer durchschnittlichen Belastung von 24 Euro zu rechnen.Die Belastung durch die Mehrwertsteuer richtet sich nach der Einkommenshöhe und der Ausgabenstruktur. Geringe Einkommen werden wegen der Mehrwertsteuer-Befreiung von Mieten nicht ganz so stark belastet, weil die Miete einen relativ hohen Anteil an den Konsumausgaben hat. Dazu kommt ein weiterer großer Teil von Ausgaben des Grundbedarfs mit reduziertem Mehrwertsteuersatz (7%). Höhere Einkommen werden deswegen weniger belastet, weil die Sparquote mit der Höhe des Einkommens zunimmt. Haushalte mit einem Monatsnettoeinkommen von 18.000 Euro wenden nur noch ein Fünftel ihres Einkommens für Konsumausgaben auf. Wenn Mehrwertsteuer-Mehreinnahmen für eine Reduzierung der Sozialversicherungsbeiträge eingesetzt würden, gäbe es zwar eine Entlastung. Das gilt aber nicht für Rentner und Arbeitslose. Insgesamt darf bezweifelt werden, dass eine höhere Mehrwertsteuer angesichts der großen Finanznot tatsächlich zur Beitragssenkung eingesetzt wird.

Eine gerechte und leistungsfähige Steuer ist möglich !

Die Pläne der Opposition werden von der IG Metall abgelehnt. Besteuerung muss nach der Leistungsfähigkeit erfolgen. In den letzten Jahren wurde dieser Grundsatz mit zahlreichen Entlastungen für Unternehmen und Bezieher hoher Einkommen immer wieder verletzt. Diese Entwicklung muss korrigiert werden. Die IG Metall fordert deshalb in ihren steuerpolitischen Leitlinien:

Steuergerechtigkeit
Gesamte Einkommen besteuern
Steuerschlupflöcher stopfen
Finanzierung öffentlicher Aufgaben sicherstellen

Zur Sicherstellung dieser Prinzipien haben IG Metall, verdi und attac das Konzept der Solidarischen Einfachsteuer (in Kürze nachzulesen unter www. igmetall.de/download) entwickelt.

Letzte Änderung: 21.11.2007