Eine Zumutung für Neonazis
Badische Neueste Nachrichten | Bruchsaler Rundschau | Titel | 21.03.2016
Verletzte bei Bruchsaler Demos
Bruchsal (BNN). Trotz Zusammenstößen mit linksautonomen Demonstranten zieht die Polizei nach den Kundgebungen vom Samstag in Bruchsal eine weitgehend positive Bilanz. Bei dem Einsatz wurden dennoch mehrere Beamte und
Demonstranten verletzt, rund 80 Personen des linken Spektrums wurden in Gewahrsam genommen.
Zufrieden sein kann auch das Bündnis "Wir für Menschlichkeit", das mit einer großen Gegendemo friedlich gegen einen "Tag der Heimattreue" von Rechtsradikalen protestierte. n Lokales
Badische Neueste Nachrichten | Bruchsaler Rundschau | BRUCHSAL | 21.03.2016
Eine Zumutung für Neonazis
Bürgerliches Bündnis demonstriert in Bruchsal mit buntem Programm gegen Rechtsextreme
AfD-Referent als "Beobachter" dabei
Von unserem Redaktionsmitglied Daniel Streib
Bruchsal. Der "Tag der Heimattreue" beginnt aus rechtsextremer Sicht eher suboptimal: Nur rund 100 Aktivisten stehen am Samstagmittag in kleinen Grüppchen zwischen Bahnhof und Saalbachcenter. Die Stimmung könnte besser sein,
schließlich waren 500 angemeldet. Drüben hinter der Absperrung steht ein Vielfaches an Gegendemonstranten. 700 sagt die Polizei, 1 300 sagen die Veranstalter vom Aktionsbündnis "Wir für Menschlichkeit". Jedenfalls
sind sie deutlich überlegen - auch akustisch. Aus Lautsprechern an der Vikto-riaanlage dröhnen linke Klassiker, Weltmusik und Neonazi-Hohngesänge wie der "Schrei nach Liebe" von den Ärzten.
Die Rechtsdemonstranten müssen sich diese Zumutung länger als geplant in nächster Nähe anhören. Denn sie dürfen erst losmarschieren, wenn alle genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Darüber wacht Bruchsals Ordnungsamtsleiter Gondulf Schneider, der schließlich noch ein Auge zudrückt: Das Auto mit einem Zweibrücker Kennzeichen war zwar nicht angemeldet, darf den Zug dann aber doch anführen.
Beim Rechtstrupp stehen vor dem Abmarsch übrigens auch ein paar heimische AfD-Mitglieder. Darunter Pressereferent Peter Rösch, der auf Nachfrage angibt, für den Bruchsaler AfD-Abgeordneten Rainer Balzer "als Beobachter und
Berichterstatter" im Einsatz zu sein.
Endlich setzt sich der Marsch der Deutschen in Bewegung, das Auto an der Spitze ist übrigens ein südkoreanisches Fabrikat. Auf dem Transparent dahinter steht "Nationaler Widerstand Zweibrücken" - eine Gruppierung, die laut
dem rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz noch rund zehn Mitglieder hat.
Hinterher marschieren meist junge Leute mit schwarz-weiß-roten Reichsflaggen. Von der Partei "Die Rechte", die den Heimattreuetag angemeldet hat, ist wenig zu sehen. Die Polizei ist derweil gut damit beschäftigt, das
Demonstrationsrecht des überschaubaren Rechtsbündnisses zu schützen. Aus Nebenstraßen versuchen linke Aktivisten näher an ihre rechten Widerparts heranzukommen. Allein Bruchsals Polizeirevierleiter Wolfgang Ams
und seine Kräfte sind auf alles vorbereitet. Das Polizeipräsidium Karlsruhe ist insgesamt mit mehreren Hundert Beamten im Einsatz - auch von der Bruchsaler Bereitschaftspolizeidirektion Einsatz unter Leitung von Bepo-Chef
Volker Erlewein. Hinzu kommen mehr als 100 Einsatzfahrzeuge, ein Hubschrauber, einige Motorräder und sogar sechs Polizeipferde.
Dass die Polizeibeamten bei Bedarf hart durchgreifen, müssen einige linke Demonstranten noch am Vormittag schmerzhaft zur Kenntnis nehmen (siehe Polizeibericht). Völlig friedfertig verläuft die Gegenveranstaltung des
Bündnisses "Wir für Menschlichkeit", dem sich rund 45 Parteien und Organisationen angeschlossen haben. Auf dem Friedrichsplatz zeigten viele Bürger bei Musikprogramm sowie Kaffee und selbstgebackenem Kuchen wie harmonisch
man ein Zeichen gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit setzen kann.
Neben Bruchsals Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick und Mitveranstalter Eberhard Schneider von der IG Metall sprachen weitere hochrangige Vertreter aus Politik, Gesellschaft, Kirche und Wirtschaft. n Kommentar
KUNDGEBUNG IN BRUCHSALS STRASSEN: Rund 100 Rechte trafen sich am Samstag zum sogenannten "Tag der Heimattreue". Fotos: Heintzen
GEMEINSAM EIN ZEICHEN GEGEN RECHTS GESETZT haben die Demonstranten, die dem Aufruf von "Wir für Menschlichkeit" gefolgt sind.
Badische Neueste Nachrichten | Bruchsaler Rundschau | BRUCHSAL | 21.03.2016
Extrem blamiert
Kommentar
Am Samstag hat sich gezeigt: Bruchsal ist trotz günstiger Verkehrsanbindung ein undankbareres Pflaster für rechtsradikale Marschierer. Der von mehreren extremen Parteien und Gruppierungen vollmundig angekündigte "Tag der
Heimattreue" geriet jedenfalls zur extremen Blamage für die strammnationalen Veranstalter. Nur ein Bruchteil der angemeldeten Rechtsaußen fand sich tatsächlich am Bahnhof ein. Dort mussten sich dann die offenbar aus halb
Süddeutschland angereisten Heimattreuen über Stunden hinweg die ohrenbetäubende Kulisse der Gegendemonstranten anhören. Mehr als zehn Mal so groß war die Zahl der Gegendemonstranten, die den Tag zu einem bunten
Fest der Menschlichkeit umwidmeten. Vom biederen Kirchenmann bis zum schrillen Punk war die überwältigende Mehrzahl friedlich dabei. Das Konzept des breiten bürgerlichen Aktionsbündnisses "Wir für Menschlichkeit"
ging voll auf. Schade nur, dass von einigen angereisten Linksextremen die Konfrontation mit der Polizei gesucht wurde. Den überzeugenden Bruchsaler Protest gegen Rechtsradikalismus als Ganzes konnten diese aber nicht in Misskredit
bringen.
Bleibt zu hoffen, dass die Rechtsmarschierer endlich begriffen haben, dass in Bruchsal für sie nicht viel zu holen ist. Der ideelle, zeitliche und monetäre Aufwand von Verwaltung, Sicherheitskräften und Ehrenamtlichen
könnte durchaus auch für drängendere Probleme genutzt werden. Dass dieser Aufwand aber manchmal sein muss, um gegen Extremismus klare Kante zu zeigen, hat das Bündnis "Wir für Menschlichkeit" bravourös
gezeigt. Daniel Streib
Badische Neueste Nachrichten | Bruchsaler Rundschau | BRUCHSAL | 21.03.2016
Linksautonome sind zufrieden
Bruchsal (BNN). Auch die linken Aktivisten ziehen nach ihrer "antifaschistischen Kampagne" unter dem Titel "Kein Tag der Heimattreue" Bilanz. Die Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei hätten mit
unverhältnismäßiger Härte und Gewalt reagiert, als am Samstagvormittag rund 200 "Antifaschisten" versuchten, auf die abgesperrte Route der Rechten zu kommen. Mittels eines martialischen Polizeiaufgebotes sei es
möglich geworden, "dass die Faschisten ihre komplette Route laufen konnten". Dennoch habe man ein "starkes Zeichen" gegen solche "Aufmärsche" gesetzt.
Nach Angaben der linken Sanitätsgruppe Süd-West seien 31 Linke verletzt worden. "Bemerkenswert war vor allem, dass Berichten verschiedener Gegendemonstranten zufolge es wiederholt zu Angriffen kleiner Nazi-Gruppen auf
Antifaschisten im Stadtgebiet kam", wird Lena Schmidt, Pressesprecherin der Sanitätsgruppe Süd-West, zitiert.
Badische Neueste Nachrichten | Bruchsaler Rundschau | BRUCHSAL | 21.03.2016
Verletzte Linke und Beamte
Polizei: Veranstaltungen weitgehend friedlich trotz Zwischenfällen
Bruchsal/Karlsruhe (BNN). Das Polizeipräsidium Karlsruhe bilanziert die Bruchsaler Demonstrationen in einer Pressemitteilung als "weitgehend friedlich". "Allerdings", so heißt es weiter, "versammelte sich gegen 11.15 Uhr, im
Vorfeld der Kundgebungen, eine Gruppe von rund 100 Personen des linken Spektrums im Bereich des Saalbachcenters und versuchten zum Bahnhof vorzudringen".
Bei einer "gewalttätigen Aktion, eine Polizeiabsperrung auf der Prinz-Wilhelm-Straße zu durchbrechen", seien 82 Personen in Gewahrsam genommen, so die Polizei weiter. "Zwei Polizeibeamte wurden hierbei verletzt. Bei den
festgesetzten Angreifern wurden mitunter zahlreiche Vermummungsgegenstände, Zahnschutz und Pyrotechnik aufgefunden. Weiteren 38 Personen wurden Platzverweise erteilt." An der Versammlung zum "Tag der Heimattreue" am Bahnhofsplatz
haben laut Polizei rund 120 Personen teilgenommen. Diese setzten sich gegen 15.10 Uhr mit ihrem Aufzug über die Prinz-Wilhelm-Straße in Richtung Bismarckstraße in Bewegung. Auf Höhe der Bismarckstraße stoppten
die Demonstranten für eine Zwischenkundgebung. Nach einem störungsfreiem Verlauf und einer Abschlusskundgebung am Bahnhofsplatz wurde die Versammlung gegen 17 Uhr beendet, so die Polizei weiter, die die Teilnehmer bis zu ihrer
Abfahrt um 17.40 Uhr zum Gleis begleitete. Während des Aufzugs kam es aber zu einer Auseinandersetzung zwischen Teilnehmern und Personen die sich im Luisenpark aufgehalten hatten.
Weitere Zwischenfälle laut Polizei: Durch Flaschenwürfe aus der Versammlung heraus wurde eine unbeteiligte Person am Kopf getroffen. Um 15 Uhr versuchten Linke, eine Polizeisperre an der Salinenstraße zu durchbrechen. Die
Einsatzkräfte wurden angegriffen und mit Pfefferspray besprüht. Insgesamt vier Polizeibeamte trugen Verletzungen davon.
Ein Teil der Gruppierung versuchte anschließend über die Gleiskörper des Bahnhofs zum Versammlungsort zu gelangen. Aus Sicherheitsgründen war ab 15.20 Uhr eine kurzfristige Sperrung des Zugverkehrs erforderlich. In
diesem Zusammenhang wurden fünf Personen vorläufig festgenommen.
Letzte Änderung: 21.03.2016