Corona und Arbeitsrecht

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06.08.2020 Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nach Infektion im Urlaub

Seit dem 1. August 2020 kann sich jeder Reiserückkehrer einem kostenlosen Corona-Test unterziehen; eine Pflicht hierzu besteht gegenwärtig nicht. Doch was ist, wenn das Ergebnis positiv ist? Und was, wenn der Urlaub in einem "Risikogebiet" stattfand, der Test jedoch negativ bleibt?

I. Aktueller Anlass
Über Reiserückkehrer wird aktuell politisch leidenschaftlich diskutiert. Dies betrifft unter anderem eine Testpflicht, die zeitnah eingeführt werden soll, den Umgang mit der Quarantänepflicht und ihre Folgen für die Arbeitnehmer sowie die Frage, ob ein Arbeitnehmer, der seinen Urlaub in einem Risikogebiet verbracht hat und infiziert zurückkehrt, Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hat.
Vermehrt versuchen Arbeitgeber, bei Arbeitnehmern, die sich in einem Risikogebiet aufgehalten haben und infiziert zurückkehren, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu verweigern.
Seit dem 1. August 2020 kann sich jeder Reiserückkehrer freiwillig auf eine Corona-Infektion testen lassen. Einen Anspruch darauf, kostenlos getestet zu werden, hat jeder, der aus dem Ausland einreist, innerhalb von 72 Stunden und zusätzlich - allerdings kostenpflichtig - jeder, der sich im Inland in einem vom RKI definierten Risikogebiet aufgehalten hat. Aktuell als Risikogebiete ausgewiesen sind innerhalb der EU Aragón, Katalonien und Navarra in Spanien sowie Luxemburg.
Wer sich testen lässt, hat nach den meisten Landesverordnungen die Möglichkeit, der generellen Quarantänepflicht bei Rückkehr aus einem Risikogebiet zu entgehen oder diese zu verkürzen.
Doch was ist, wenn dieser Test positiv ausfällt? Vermehrt versuchen Arbeitgeber, für diese Arbeitnehmer die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu verweigern oder die Entschädigung nach dem IfSG nicht auszuzahlen.

II. Lohnfortzahlung und Verschulden
Eine Infektion mit dem Coronavirus kann symptomal verlaufen, d. h. der Betroffene zeigt Fieber, Husten und andere Krankheitssymptome, dann kann Arbeitsunfähigkeit eintreten.
Ein Arbeitnehmer hat bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, § 3 Abs. 1 EFZG. Dies gilt jedoch nur dann, wenn ihn kein Verschulden trifft.
Bei diesem Verschulden geht es um ein Verschulden gegen sich selbst und damit um Fälle eines unverständigen, ungewöhnlich leichtfertigen oder mutwilligen oder gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens.
Bei Erkältungs- oder Infektionskrankheiten wurde bislang stets ein Verschulden des Arbeitnehmers gegen sich selbst abgelehnt. Demgegenüber war die Schwelle in Einzelfällen z.B. dann überschritten, wenn der Arbeitnehmer eine Schlägerei bewusst provoziert hat und dabei selbst verletzt worden ist. Mit einer solchen Leichtfertigkeit ist die Reise in ein Risikogebiet nicht vergleichbar. Es liegt kein "Verschulden gegen sich selbst" vor.

III. Lohnfortzahlung und Corona-Infektion
Verläuft die Infektion mit dem Coronavirus hingegen asymptomal, liegt keine Arbeitsunfähigkeit vor. Der Arbeitnehmer muss die Infektion melden. Deswegen wird das Gesundheitsamt in diesen Fällen stets eine Quarantäne anordnen. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer nach § 56 Abs. 1, Abs. 2 IfSG einen Entschädigungsanspruch, der der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entspricht. Diese muss der Arbeitgeber vorstrecken. Der Entschädigungsanspruch entfällt, wenn der Arbeitnehmer durch öffentlich empfohlene Maßnahmen die Infektion hätte verhindern können.
Bei Arbeitsunfähigkeit wie auch bei Quarantäne kommt es also auf das konkrete Verhalten des Arbeitnehmers an. Die bloße Ausweisung des Ziellandes als "Risikogebiet" durch das RKI genügt hierfür noch nicht. Das konkrete Verhalten des Arbeitnehmers vor Ort muss sich als besonders leichtfertig erweisen. Dies muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nachweisen, wenn er die Vorschussleistung verweigern möchte. Das leichtfertige Verhalten muss zudem ursächlich für die Infektion sein, auch dies müsste der Arbeitgeber nachweisen.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Verlust des Entgeltfortzahlungsanspruchs bei Krankheit liegen daher in der Regel nicht vor, wenn ein Arbeitnehmer in ein Risikogebiet reist.

IV. Praktische Tipps für Betriebsräte
In Betriebsvereinbarungen kann den Arbeitnehmern nicht die Wahl ihres Urlaubslandes vorgeschrieben werden.
Die Reise in ein vom RKI definiertes "Risikogebiet" ist weder verboten noch an sich leichtfertig.
Kehren Arbeitnehmer oder ein Familienmitglied infiziert zurück, wird das Gesundheitsamt Quarantäne anordnen. Den Entschädigungsanspruch nach dem IfSG kann eine Betriebsvereinbarung ohnehin nicht wirksam beschränken.
Es kann jedoch sinnvoll sein, in Betriebsvereinbarungen bei einer Rückkehr aus einem Risikogebiet vor dem Betreten des Betriebsgeländes einen (mitbestimmungspflichtigen) Infektionstest oder eine 14-tägige Tätigkeit im Home-Office zu vereinbaren. Ist dies nicht möglich, kann der Arbeitnehmer zum Schutz der Belegschaft auch freigestellt werden, dies geschieht jedoch "entgeltlich". Er behält seinen Lohnanspruch für die Zeit der Freistellung.

Dr. Michael Bachner
Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei Schwegler Rechtsanwälte
Daniel Wall
Rechtsanwalt bei Schwegler Rechtsanwält
Quelle:
Betriebsratsarbeit in Krisenzeiten, Newsletter vom 5.8.2020

Letzte Änderung: 06.08.2020